BÜCKEBURG (hb/m). Gelungener Auftakt der "Schaumburger Abendgespräche" im Le Theule Saal: Etwa 150 Besucher erlebten auf Einladung der Friedrich Ebert Stiftung eine Diskussion zum Thema "Freiheit und Sicherheit: Gegensatz oder wechselseitige Bedingung?" Jörg Ziercke (60), seit Februar 2004 Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) und damit "oberster Verbrechensbekämpfer der Bundesrepublik Deutschland", und Sebastian Edathy (38), seit 1998 Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2005 Vorsitzender des Innenausschusses, sprachen über die erforderliche Wahrung der Balance zwischen staatlichen Aufklärungs- und Verfolgungsinteressen und dem Schutz bürgerlicher Freiheitsrechte.
Angesichts von Wirtschaftsdelikten in Milliardenhöhe, Internetkriminalität und Terrorismus sieht
Jörg Ziercke die Strafverfolgungsbehörden vor neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sei die größte Herausforderung. "Deutschland ist Teil eines weltweiten Gefahrenraums", so Ziercke. Habe die RAF seinerzeit die Repräsentanten des Staates angegriffen, so sei die Gesamtbevölkerung, "die ungläubige westliche Gesellschaft" das Ziel der islamistischen Terroristen.
"Es darf nicht ein klein bisschen Folter in einem Rechtsstaat geben. Online-Durchsuchungen dürfen nur bei schweren Straftaten möglich sein", nahm der BKA-Präsident Hardlinern den Wind aus den Segeln. Das Vertrauen der Bevölkerung dürfe nicht verloren gehen.
Ziercke ist sicher, dass die Täter vom technologischen Wandel profitieren und fordert daher, "dass wir im Internet auf Streife sein müssen". Die Provider müssen die IP-Adressen aufbewahren, so dass die Ermittlungsbehörden feststellen können, wer mit wem kommuniziert hat. "Der technologische Vorsprung der Täterseite darf nicht zu groß werden", fordert Ziercke. Vierzehnmal seit 2001 sei Deutschland von Bin Laden und seinem Stellvertreter in ihren Botschaften als Ziel genannt worden; sieben Anschläge habe man verhindern können.
"Wer Freiheit für die Sicherheit aufgeben will, hat am Ende weder Freiheit noch Sicherheit", zitierte Sebastian Edathy Benjamin Franklin. Es sei wichtig, "Verhältnismäßigkeit, Zweckmäßigkeit, Geeignetheit" von Maßnahmen zu beachten. Edathy hält es für gerechtfertigt, Verdächtige zu beobachten, will aber "keine flächendeckende Erfassung der Bevölkerung in einem Register". Online-Durchsuchungen seien etwas rechtlich völlig Neues. "Heimliche Wohnungsdurchsuchungen kennen wir auch nicht und sind in einem Rechtsstaat völlig undenkbar", so der Innen-Experte der SPD. Auch Datenträger seien keine rechtsfreien Räume.
Bei den eingelesenen Fingerabdrücke auf Reisepässen sage Innenminister Schäuble: "was man hat, kann man behalten und sichern". Edathy fragt sich "für welchen Zweck?" und hält so ein Vorgehen für "missbrauchsanfällig". Jörg Ziercke machte deutlich, dass "mir der Fingerabdruck im Pass nicht viel bringt". Der BKA-Präsident sieht "keinen Vergleich zwischen dem, was rechtsstaatlich in Deutschland entwickelt worden ist und im DDR-System passiert ist". Foto: hb/m