1. Der Stadtrat trinkt Bier und Weiber ohne Reize

    400 Jahre Markt- und Stadtrechte / Festvortrag von Dr. Stefan Brüdermann

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    BÜCKEBURG (hb/m). Am 4. Februar 1609 hat Ernst III. Graf von Holstein-Schaumburg Bückeburg das Privileg verliehen, zwei Mal im Jahr einen Jahrmarkt und zwei Mal in der Woche einen Wochenmarkt zu veranstalten. Die Stadt Bückeburg hat mit einem Festakt und 200 geladenen Gästen im Großen Rathaussaal dieses Jubiläum gefeiert (wir berichteten). In seinem Festvortrag ging Dr. Stefan Brüdermann auf die Bedeutung des Marktprivilegs für die Entwicklung der Stadt Bückeburg ein. Zu Beginn des Vortrages von Dr. Stefan Brüdermann wurde sogleich deutlich, was Archivare "anrichten" können. Rechnungen der Stadt Stadthagen bezeugen auch heute noch, dass der Bückeburger Stadtrat um 1400 auf Kosten des dortigen Rates Bier getrunken hat. Sonst sei übrigens von der damaligen Tätigkeit des Stadtrats nichts überliefert worden.In Stadthagen bestand um 1600 bereits ein aufstrebendes städtisches Gemeinwesen. Ein Schulgebäude, eine Ratsapotheke und ein Rathaus waren gebaut worden. Bückeburg zählte damals etwa 400 bis 500 Einwohner und litt unter den Folgen eines Großfeuers im Jahr 1585. Dennoch entschied sich Graf Ernst, seinen Hof und seine Regierungskanzlei im Frühjahr 1607 von Stadthagen nach Bückeburg zu verlegen. Er habe hier, so Dr. Brüdermann, mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Schaffung einer modernen Residenzstadt gesehen. Ausgehend vom Schloss, begann er ein ganzes Bauprogramm in Bückeburg umzusetzen. Die Innenausstattung des Schlosses wurde aufgewertet, das Schlosstor errichtet und ein großer "Lustgarten" angelegt. Vor dem Schlosstor kaufte Graf Ernst Grundstücke auf, um den Marktplatz anzulegen. Architektonische Krönung des Bauprogramms war die Errichtung der Stadtkirche. Bei der Verleihung der Marktrechte sei es dem Grafen, so Dr. Brüdermann, um die Versorgung seines Hofes gegangen. Der Wochenmarkt blieb lange Zeit auch eher eine Veranstaltung des Landesherrn als der Stadt. Den Bückeburgern war der Ort des Marktplatzes zu dezentral. Viele glaubten, "vor der hiesigen lutherischen Kirche als dem Mittelgebäude der Stadt" sei der gelegenste Ort. In der Marktrechtsverleihung vom 4. Februar 1609 wurde Bückeburg zum ersten Mal vom Landesherrn "Stadt" genannt. Bückeburg gehört zu einer ganzen Reihe frühneuzeitlicher Städte, die ihre Erhebung zur Stadt dem Willen des Herrschers zu verdanken haben. Bückeburg ist neben den repräsentativen Bauten vor allem die Funktion als Sitz des Hofes und – bis zur Aufhebung des Freistaates Schaumburg-Lippe 1946 – der Regierung geblieben. Neben den Vorteilen des Residenzausbaus mussten die Bürger auch schwerwiegende Nachteile hinnehmen. Da Hofleute, Beamte und Soldaten kraft landesherrlichen Privilegs keine städtischen Lasten zu tragen hatten, mussten die Stadtbürger ein Mehrfaches an Abgaben tragen als zum Beispiel die Stadthäger. Auch der Effekt der Wirtschaftsförderung war relativ gering. Die Risiken beim Handel mit dem Hof waren beträchtlich, hohe Gewinnspannen ließ die Kammer nicht zu. Die Nachfolger des Fürsten haben laut Brüdermann bis ins 19. Jahrhundert wenig getan, um die zentralörtliche Position der Stadt zu stärken. Es habe auch mit den Eigenheiten der Residenz zu tun, dass Bückeburg den Anschluss an die Industrialisierung im 19. Jahrhundert verpasste. Andererseits hätte dieser neu entstandene Ort ohne die dauerhafte Verlegung von Residenz und Regierung und den repräsentativen Ausbau mit Errichtung eines Marktes vor 400 Jahren wenig baulichen Reiz gehabt und wäre nicht die Wirkungsstätte von Johann Gottfried Herder, Johann Christoph Friedrich Bach und Bernhard Christoph Faust geworden.

    Herder sei bei seiner Ankunft in Bückeburg wenig begeistert gewesen: "Wüste Köpfe, Weiber ohne Reize und Bildung. Der Idealumgang der Einsamkeit ist mir noch nie in der Welt so zu statten gekommen." Die Bückeburger Schriftstellerin Lulu von Strauß und Torney lobte dagegen beispielhaft: "Sauber, bescheiden, still-vornehm, die richtige kleine Fürsten- und Kleinbürgerstadt der alten Zeit". Foto: hb/m