1. Stolpersteine erinnern an die Opfer der NS-Zeit

    Gunter Demnig verlegt weitere sieben Steine an authentischen Orten/ Initiative der Geschichtswerkstatt

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    BÜCKEBURG (hb/m). Auf Initiative der Geschichtswerkstatt der Herderschule Bückeburg verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig seit 2005 jährlich Stolpersteine in der Stadt. Diese Stolpersteine sind allen Opfergruppen der NS-Zeit, wie Juden, politisch und kirchlich Verfolgten, Sinti und Roma, Zwangsarbeitern, Euthanasieopfern und Zeugen Jehovas gewidmet. Die Steine werden von Demnig an authentischen Orten verlegt, also dort, wo die verfolgten Menschen in Bückeburg gelebt und gewirkt haben.

    Am Freitagvormittag konnte Klaus Maiwald, der Projektleiter der Geschichtswerkstatt, Gunter Demnig zum fünften Mal in Bückeburg begrüßen. Inzwischen habe er, so Demnig, über 20.000 Steine in etwa 500 Orten über Deutschland hinaus verlegt, unter anderem auch in Rom, Prag, Breslau und in Frankreich. In den letzten neun Jahren habe er drei Morddrohungen erhalten. Das sei zwar nicht spaßig, motiviere ihn aber zusätzlich bei seiner Erinnerungsarbeit. In den Neuen Bundesländern, wie zuletzt in Luckenwalde, könnten die Steine nur in Polizeibegleitung verlegt werden.

    Demnig hat die Stolpersteine Nr. 36 bis 42 verlegt. In der Gartenstraße 10 wurde an die Viehhändlerfamilie Philippsohn erinnert. Louis Philippsohn war mit Ehefrau Rosa 1906 hierher gezogen. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Heinz, Paula und Kurt. Louis ist 1936 verstorben. Nach dem Judenpogrom 1938 wurde der Witwe die Erstattung der Kosten für die medizinische Versorgung der Familie entzogen. Als sie wegen der persönlichen Notlage ihr Haus verkaufen musste, wurde sie von den Nazis schamlos ausgenutzt und ausgeplündert. Sohn Kurt gelang im August 1939 noch die Auswanderung nach Manchester/England. Paula musste mit ihren anderen Kindern zunächst in die Bahnhofstraße 6 und danach ins "Judenquartier" in der Obertorstraße einziehen. Zusammen mit ihrer Tochter Rosa wurde Paula Philippsohn am 28. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ermordet wurden sie in Auschwitz. Sohn Heinz wurde im Ghetto Warschau umgebracht.

    In der Wallstraße 2 hat das Geburtshaus des späteren Händlers Hermann Scheiberg gestanden. Der 1891 geborene Scheiberg war als einziger Jude der Stadt Bückeburg in einer Partei, und zwar in der SPD, aktiv. 1926 hatte er sich zusammen mit weiteren acht Juden der Stadt erfolgreich an einer Eingabe an die Landesregierung beteiligt, um einen Rede-Auftritt Adolf Hitlers in Bückeburg zu verbieten. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten war Scheiberg als SPD-Mitglied NS-Willkürmaßnahmen ausgeliefert. Das Novemberpogrom von 1938 veranlasste auch Hermann Scheiberg und seine Ehefrau Johanna, die keine Jüdin war, die Konsequenzen aus der unerträglichen Situation in Bückeburg zu ziehen. Sie wanderten nach Chicago in die USA aus. Julius Michaelis hat mit seiner Frau Meta, die keine Jüdin war, in der Ulmenallee 5 gelebt. Im Juni 1939 wird vor dem Schöffengericht in Stadthagen gegen ihn wegen eines Vergehens gegen das "Blutschutzgesetz" verhandelt. Michaelis wird nicht einmal als Zeuge gehör und zu einer Strafe von 70 RM verurteilt. Er muss in das "Judenquartier" in der Obertorstraße ziehen. Im Frühjahr 1945 wird der 76-Jährige in das KZ Theresienstadt deportiert. Er überlebt und kehrt nach Kriegsende nach Bückeburg zurück, wo er 1950 verstirbt.

    Foto: hb/m