BÜCKEBURG/CELLE (hb). Wenn sich die Fürstliche Hofreitschule bei der Celler Hengstparade die Ehre gibt, treffen Reitkunst und Reitsport aufeinander, und Barock begegnet der Moderne. Wie die Hofreitschule erklärt, handelte es sich bei dem Aufeinandertreffen der vermeintlichen Gegensätze um ein recht mutiges Experiment, das zwischen dem Zuchtleiter des Hannoveraner-Zuchtverbandes, Dr. Werner Schade, und dem Hofreitmeister Wolfgang Krischke eingeleitet wurde. Es ist der Start einer Dokumentation für das "Europäische Reitzentrum für Reitkunst und Reitkultur" (EDRR) im Rahmen der Kampagne "Hannoveraner erleben".
Vor den ausverkauften Rängen bei der Celler Hengstparade geht der edle Hannoveranerhengst "Labiat” unter Hofreitmeister Wolfgang Krischke.
Ein halbes Jahr oder auch länger, soll "Labiat", ein erprobter Hannoveranerhengst edelsten Geblüts, in der Fürstlichen Hofreitschule in der "Leichtigkeit der Hilfen" ausgebildet werden. Die Ergebnisse dieser alten, sanften Methode (entstanden im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich) sollen anschließend ausgewertet und veröffentlicht werden.
Hintergrund des Experiments sind die immer lauter werdenden Fragen nach dem Sinn des harten Einsatzes von Zügel und Sporen bei Sportpferden. Dazu zählt unter anderem die als Rollkur bezeichnete Überdehnung der Pferdehälse in der Dressur, die sich, wie Wolfgang Krischke erläutert, in den letzten beiden Jahrzehnten entwickelt und sich mittlerweile verselbstständigt zu haben scheint.
Die "Deutsche Reiterliche Vereinigung FN" will diesen Tendenzen mit Projekten wie dem Vorliegenden entgegenwirken und auf eine verbesserte Reitlehrerschulung sowie die Vermittlung von Hintergrundwissen zu Biomechanik und Reitkultur hinwirken.
Seit Mai dieses Jahres steht das Dokumentationszentrum EDRR, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Praktikern aller Forschungsrichtungen und Reitstile, für das Erschließen von Reitanleitungen aus Barock und Renaissance bereit.
Im Negativfokus stehen "Hilfszügel", die dem Reiter mehr Kraft zur Bändigung des Tieres geben sollen, oder die "Sperrriemen", die durch festes Zubinden des Maules eine Gegenwehr des Pferdes gegen diese Zügelhilfen unterbinden sollen.
Hofreitmeister Wolfgang Krische zu der Studie: "Wenn es den Reitern bis vor 70 Jahren noch gelang, Pferde mit feinen Impulsen bis ins hohe Alter hinein gesund und leistungsfähig zu erhalten, warum sollten wir uns heute mit weniger zufrieden geben?"
Der Hannoveraner "Labiat" kann übrigens täglich im Marstall der Hofreitschule besucht werden. Sein Ausbildungskonzept werden die Hofbereiter am kommenden Samstag, 10. Oktober, beim EDRR-Thementag in Bückeburg vorstellen.
Ab sofort bietet die Hofreitschule an einem Sonntag im Monat "Morgenarbeit" an. Detaillierte Informationen gibt es unter www.hofreitschule.de im Internet.
Foto: Stappenbeck