BÜCKEBURG (hb/m). Als Gastredner beim Mittagsgespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung im Le-Theule-Saal des Rathauses zog Dr. Christoph von Marschall, US-Korrespondent des Tagesspiegels, vor 150 Zuhörern nach einjähriger Amtszeit des US-Präsidenten Barack Obama eine Zwischenbilanz. "Zwischen Hoffnung und Ernüchterung" lautete das Thema des seit fünf Jahren in den USA lebenden Journalisten.
Bei einer Zwischenbilanz muss man nach den Worten von Dr. Christoph von Marschall unterscheiden zwischen der Sicht der amerikanischen Wahlbevölkerung und dem Blickwinkel der Deutschen und Europäer. Bei seiner Amtseinführung vor einem Jahr habe Obama eine große Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung hinter sich gehabt und große Zustimmung in Deutschland und Europa erfahren. Inzwischen habe es einen großen Stimmungswandel gegeben. So sei die Zustimmung in den USA von 69 Prozent auf unter 50 Prozent gesunken.
In Deutschland und Europa seien die Menschen enttäuscht, weil es immer noch Folter und Waterboarding gibt, Guantánamo nicht geschlossen wurde und seine Afghanistan-Politik deutlich gemacht habe, "dass Obama kein Friedenspräsident" ist. So sei in Afghanistan die Truppenstärke verdreifacht worden. Obamas Aussagen wie "man muss den Afghanistan-Krieg gewinnen" und "es gibt das Böse auf der Erde, wir müssen es militärisch bekämpfen", erinnern, so von Marschall, stark an George W. Bush. Obamas Rede über den "gerechten Krieg" habe in Deutschland nicht nur in der evangelischen Kirche eine Debatte ausgelöst. In den USA kämen diese Inhalte seltener in den Schlagzeilen vor. Zwei Themen seien den Amerikanern wichtig: die Wirtschaftskrise und das Schaffen von Arbeitsplätzen ("jobs, jobs, jobs") sowie das Einfrieren von Staatsausgaben, um die Verschuldung in den Griff zu bekommen. "Budgetdisziplin wird in den USA ernster genommen als hier", berichtete von Marschall. Die Wirtschaftskrise habe der Präsident zwar von seinem Vorgänger geerbt, nach einem Jahr erwarte die Bevölkerung aber Erfolge, zumal Banken, Autokonzernen und Immobilienfirmen mit Milliarden Dollar geholfen worden sei.
47 Millionen Menschen in den USA, das entspricht etwa 15 Prozent der Bevölkerung, haben keine Krankenversicherung. Die "abstrakte Idee", ihnen eine zu verschaffen, habe Unterstützung gefunden. Jetzt bei der konkreten Umsetzung und der Frage der Finanzierung sei dieses Vorhaben nicht mehr so populär.
"Von den 85 Prozent, die eine Krankenversicherung haben, gehen mehr zur Wahl als von den anderen 15 Prozent", zeigt von Marschall einen weiteren Grund für sinkende Umfragewerte auf. Obama sei vor einem Jahr für "Change und Hope" angetreten und wollte Reformen machen. Nach einem Jahr gehöre er jetzt zum Establishment und die Stimmung im Wahlkampf sei eher gegen Washington und besser für Außenseiter.
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