BÜCKEBURG (hb/m). Als Gast der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigte Dr. Alfred Boss vom Wirtschaftsinstitut der Universität Kiel in einem "Mittagsgespräch" im Le Theule Saal des Rathauses den zahlreichen Besuchern schonungslos die Perspektiven der Staatsfinanzen auf. Boss, Mitglied des Arbeitskreises "Steuerschätzungen" beim Bundesministerium der Finanzen, sprach zum Thema "Versinkt Deutschland im Schuldensumpf?"
Dr. Alfred Boss(l.) mit dem Moderator der Veranstaltung, Friedel Pörtner
Der Bund hat laut Boss im laufenden Jahr 50 Milliarden Euro Defizit, "weniger als erwartet". Glückliche Umstände, wie die Versteigerung der Mobilfunk-Lizenzen, hätten Geld in die Kasse gespült. Die Lage bei den Kommunen sei dramatischer. Bei Bund, Ländern und Kommunen zusammen beliefe sich das Defizit in diesem Jahr auf rund 100 Milliarden - "und das bei einer guten Konjunktur".
Deutschland hat Schulden von insgesamt 1.750 Milliarden Euro. Viel Geld sei zur Stützung der Banken ausgegeben worden. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hätten die Schulden 1970 18,6 Prozent betragen; heute belaufen sie sich auf 75 Prozent. Vorteilhaft sei zurzeit das günstige Zinsniveau. "Bei rund 1.800 Milliarden Euro Schulden bedeutet jeder Zinspunkt mehr 18 Milliarden mehr Zinsen", so Boss. "Wir sind noch nicht da, wo manche glauben zu sein aufgrund der aktuellen Steuerschätzungen", warnte der Experte.
Schulden sind nach den Worten von Dr. Alfred Boss zum einen schlecht, weil sie zukünftige Generationen belasten. Zum anderen würde sich ein verschuldeter Staat Gelder vom Kapitalmarkt holen. Als Folge steigen die Zinsen an und verdrängen die Investitionen der Privaten.
Neben den offen dargelegten Schulden gebe es aber auch noch "versteckte Schulden". Damit meint Boss die Leistungsversprechen in der Sozialversicherung gegenüber den Alten, Kranken und Pflegeversicherten. Wenn man diese Schulden auch noch berücksichtige, käme man gemessen am BIP nicht auf 75 Prozent, sondern auf 315 Prozent. "Versprechen lassen sich aber korrigieren", meinte Boss wenig beruhigend. Alternativ seien die Steuern und Beiträge zu erhöhen. Dann würden sich aber junge Menschen fragen, ob sie nicht im Ausland besser leben könnten - "und dann sehen die Alten richtig alt aus."
Viel Einsparpotential sieht Gast aus Kiel bei den Subventionen und den Sozialleistungen. An die Subventionen gehe die Regierung nicht heran, weil die Unternehmen drohen abzuwandern. Kürzungen bei den Sozialleistungen seien schwer durchzusetzen, "weil es sehr viele Empfänger von Sozialleistungen gibt und sie alle Wähler sind". Boss hält es für notwendig, in zwei bis drei Jahren das Renteneintrittsalter auf 70 hochzusetzen. Nur eine kurzfristige Lösung sei es, die Schulden über eine Inflation zu entwerten. Abschließend appellierte Boss an die Entscheidungsträger, die Mehreinnahmen für Bund, Länder und Kommunen "gnadenlos zu verwenden, um die Neuverschuldung kleiner zu machen". Foto: hb/m