1. Wenn Katzen Kätzchen fressen

    Letzte Überlebenschance vieler deutscher Tierheime ist Verordnung zur Kastrationspflicht / Antrag der SPD-Fraktion

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    BÜCKEBURG (jl). Kalte Hände, eine frostige Nase und eisige Füße. In den Räumen des Bückeburger Tierheims herrschen Temperaturen wie draußen. Es ist Mitte November, stürmisch und regnerisch. Eingepackt in einen dicken, roten Rollkragenpullover und eine schwarze Weste sitzt Monika Hachmeister am Tisch. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Bückeburg, Rinteln und Umgebung e.V. fürchtet um den Fortbestand des vom Verein betriebenen Tierheims.

    Bereits im letzten Winter wurde extrem gespart und nur noch in den Tierunterkünften geheizt. In diesem Jahr blieb die Heizung bis jetzt noch kalt. "Wir wissen nicht, wovon wir das bezahlen sollen", sagt Hachmeister betroffen. Der Grund sind unkastrierte Hauskatzen, die zum größten Teil, meist durch Aussetzen, verwildert leben oder deren Besitzer sie einfach nicht kastrieren lassen. Die Folge für Hachmeister und ihre Mitstreiter: 46 verwilderte Hauskatzen und deren Nachkommen in neun Tagen einfangen, um sie kastrieren und kennzeichnen zu lassen. Dieselbe Zahl an Vierbeinern ist dem Tierschutz noch gemeldet und "dabei wird es nicht bleiben", seufzt Hachmeister. Eine Kastration kostet etwa 100 Euro. Die derzeit aufschwemmende Katzenflut ist finanziell aber nicht mehr zu bewältigen. Allein im Bezirk des hiesigen Tierschutzvereins, der die sechs Kommunen Bückeburg, Rinteln, Auetal, Obernkirchen, Bad Eilsen und Porta Westfalica umfasst, mussten bereits 17 Tierheime schließen. Bundesweit sind laut der Interessengemeinschaft "Pro Katzenschutzverordnung" 50 Prozent der Tierheime in akuter Not.

    Wenn die "Katzenlady" der US-amerikanischen Zeichentrickserie "Die Simpsons" ihre Dutzenden Katzen umher oder gar über Häuser wirft, mag das für den einen oder anderen lustig sein. In Deutschland ist es aber zum Teil bittere Realität.

    Manche Besitzer entsorgen ihre Tiere wie Müll, werfen sie in Glascontainer, fest verschnürt in Kartons in Gräben oder über den Zaun ins Tierheim. In Straßengräben oder unter Büschen bekommen die Katzen ihre Jungen, Muttertier und Babys sind oft so krank, dass ihnen die Maden schon aus den Augen kriechen. Auf einem verlassenen ehemaligen Bauernhof in Krankenhagen liegt der Mist der Kühe noch immer, dazwischen zahlreiche tote und mehr als 20 lebende Katzen. Wenn seine Katzen zu viele werden, schlägt ein anderer Bauer einige regelmäßig tot. Quälender Hunger treibt ein Gruppe größerer Katzen dazu, einer kleinen Schwarzen ein Bein und den Schwanz abfressen. Diese "abgewrackten und vor Hunger fast wahnsinnigen Gestalten" oft zu sehen, ist für Tierschützerin Hachmeister (fast) nicht mehr ertragbar. Jeder Mensch sollte so viel Mitgefühl haben, dass er sagt: "So etwas können wir nicht zulassen." Kopfschüttelnd und achselzuckend verweist sie darauf, dass doch erst der Mensch die Tiere zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Ein Drittel der eingefangenen Katzen ist krank oder verletzt, insgesamt rund 130 Katzen betreut das Bückeburger Tierheim momentan. Wie viele Nachkommen bereits ein einziges, nicht kastriertes Katzenpaar zeugen kann, stellt eine Hochrechnung von "Pro Katzenschutzverordnung" dar. Ein Pärchen bekommt pro Jahr zwei Mal Junge, von den Würfen überleben im Durchschnitt jeweils drei Kätzchen. Nach zehn Jahren sind das 80 Millionen Katzen, somit hätte dann fast jeder Einwohner in Deutschland eine Mieze. Mit dem sogenannten "Paderborner Modell" soll die Katzenflut verebben. Paderborn hat als erste Stadt in Deutschland vor zwei Jahren eine Verordnung erlassen, die alle Katzenhalter dazu verpflichtet ihre frei laufenden Katzen vor Vollendung des 5. Lebensmonats kastrieren, kennzeichnen und registrieren zu lassen. In diesem Jahr setzten auch Delmenhorst, Düsseldorf, Bunde, Oer-Erkenschwick, Salzgitter und Bad Dürrenberg das Modell um. Die Bückeburger Tierschützer haben gemeinsam mit Kollegen aus Detmold eine Petition erstellt und diese mit einem schriftlichen Antrag auf Durchsetzung der Verordnung an die Kommunen im jeweiligen Einzugsgebiet geschickt. Im Landkreis Schaumburg hat sich unterdessen auch der Tierschutz Rodenberg / Bad Nenndorf und Umgegend e.V. angeschlossen.

    Zum Vergleich: In Österreich ist die Katzenkastration seit 2005 per Bundesgesetz Pflicht. Aber auch in Deutschland lässt ein kleiner Schritt die Hoffnung wachsen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Antrag formuliert, der die Bundesregierung auffordert, einen "Regelungsvorschlag zur verpflichtenden Kennzeichnung, Registrierung und Kastration von Katzen mit Freilauf und frei lebenden Katzen" vorzulegen.Foto: jl