1. Nichts ist wichtiger als menschliche Kontakte

    Dr. Henning Scherf erzählt über das Älterwerden

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    BÜCKEBURG (hb/m). Die Arbeitsgruppe "Miteinander der Generationen" vom Bündnis für Familie der Stadt Bückeburg und die Volkshochschule Schaumburg hatten zu einer öffentlichen Veranstaltung mit Dr. Henning Scherf in das Hubschraubermuseum eingeladen und damit einen Volltreffer gelandet. Der 72-jährige langjährige Bürgermeister aus Bremen gewann sofort alle Sympathien, als er alle rund 80 Besucher mit Handschlag persönlich begrüßte.

    Freundlich, souverän und unaufgeregt sprach Scherf in seinem kurzweiligen Vortrag in freier Rede über das Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach. Nachdem sich die drei Kinder in alle Welt verabschiedet hatten, war Scherf und seiner Frau die Idee gekommen, etwas Neues zu versuchen. Drei Paare und ein Priester haben in der Innenstadt von Bremen ein altes Haus gekauft, das von den zehn Personen nach den eigenen Vorstellungen umgebaut worden ist.

    "Seit 24 Jahren funktioniert das", berichtet Scherf. Von Anfang an werde samstags gemeinsam gefrühstückt. Mit Beginn seines Rentnerdaseins vor sechs Jahren werden auch mittags gekocht. Auch die Männer würden sich daran beteiligen. Gemeinsame Mahlzeiten seien für die Kommunikation wichtig. Es gäbe auch keinen Stress, wenn Gäste kommen; denn Platz sei für Freunde, Verwandte und Enkelkinder vorhanden. So werde sein Arbeitszimmer auch als Gästezimmer genutzt. "Wir haben keinen Berufsstress und sind entspannter als die Eltern", nennt Scherf als Grund dafür, dass die Enkelkinder gern zu Besuch kommen. Es gibt einen großen Garten, und alle haben nur ein Auto zur Verfügung. Einmal jährlich wird gemeinsam eine Fahrradtour unternommen.

    Eine "Nagelprobe" für die Wohngemeinschaft ("wir sind eine verschworene Gruppe") habe sich nach zwei Jahren eingestellt, als eine 50-jährige Frau todkrank wurde und nicht von Fremden, sondern von den Freunden, gepflegt werden wollte. "Reden ist eine Hilfe, wir haben ein Netzwerk gebildet, es hat uns neun Personen nicht überfordert", berichtet Scherf. "Irgendwann bin ich dran und hoffe, dass sie mich nicht allein lassen". Falls alle inzwischen zu klapprig seien, würde "Plan B" greifen und die Wohngemeinschaft Anschluss an die Bremer Heimstiftung suchen. Im Bremen würden keine neuen Pflegeheime mehr gebaut ("die Leute wollen das nicht"). Scherf, Autor von Büchern über das Älterwerden wie "Grau ist bunt" und "Gemeinsam statt einsam", schreibt gerade ein Buch über seine Erfahrungen mit Pflegewohngemeinschaften. Diese sollten "mittendrin" angesiedelt sein. Nichts sei wichtiger als menschliche Kontakte. Man müsse auch etwas zu tun haben. "Ich will nicht im Ruhestand sein und aufs Essen warten, sondern will auch mit anpacken", erklärt Scherf, der Älterwerden als eine Chance bezeichnet. Man solle das Alter annehmen und sich selbst entdecken. So liest Dr. Henning Scherf einmal in der Woche in einer Grundschule vor, singt mit 120 anderen Mitgliedern im Chor ("ist wie Adrenalin für mich") und malt. Für seinen Besuch in Bückeburg hat Scherf kein Honorar gefordert, sonder um eine Spende für das Hilfsprojekt "pan y arte" (Brot und Kunst) in Nicaragua gebeten.Foto: hb/m