BÜCKEBURG (hb/m). Die Furcht vieler afghanischer Mitarbeiter der Bundeswehr vor dem Jahr 2014 ist groß. Mit dem angekündigten Abzugstermin der alliierten Truppen wächst die Angst vor einer Art "Nacht der langen Messer". Hauptmann d.R. Florian Wiehring berichtete im Kasino der Jägerkaserne vor Mitgliedern der Kreisgruppe Weserbergland des Reservistenverbandes und Angehörigen der Heeresfliegerwaffenschule (HFlgWaS) über seine Erfahrungen als "Medical Mentor" bei der zweiten Brigade des 209. Korps der "Afghan National Army" (ANA) im Jahr 2011 im Kundus.
Ohne Sprachmittler, so der Referent, sei keine vernünftige Beratung der Truppe am Hindukusch möglich, da selbst die Offiziere der ANA oft kein Englisch sprechen. Die lokalen Dolmetscher seien somit unverzichtbar und würden mit 800 Dollar im Monat geradezu fürstlich entlohnt. Und zwar auch für ihre Loyalität und der besonderen Lebensgefahr wegen, der sie ausgesetzt sind.
Ein General muss sich vergleichsweise mit 250, ein Arzt mit 50 und ein Polizist mit 30 Dollar im Monat begnügen. Die Ausrüstung und Ausstattung der Sanitätseinheit war nach den Worten von Florian Wiehring gut, die Mehrheit des medizinischen Personals ausreichend ausgebildet und die Ärzte durch lange Kriegserfahrungen kompetent, wenn auch ohne Studium. Medikamente wurden meist per Infusion verabreicht. Damit wirkte man der ständigen Dehydrierung ebenso entgegen wie dem Verkauf der verordneten Arzneien auf dem Schwarzmarkt.
An Transportmitteln mangelte es nicht. Die Amerikaner hatten Hubschrauber vor Ort, auch Krankenkraftwagen waren genügend vorhanden. Priorität beim Transport hatten manchmal aber die Toten und nicht die Verletzten, weil nach islamischem Brauch eine Beerdigung innerhalb eines Tages stattfinden muss. Stirbt deswegen ein Verletzter, ist dies eben Allahs Wille. Mit dieser Einstellung sehen die Afghanen viele Dinge ganz gelassen.
Es wird jetzt schon nach einem "Modus Vivendi" für die Zeit nach dem Abzug gesucht. Florian Wiehring hält ihn für verfrüht und glaubt, "dass viele der mit Mühe und Geld geschaffenen Strukturen wieder auseinanderbrechen werden." Foto: pr