1. Vom Abenteuer zu Atalanta

    Parlamentarischer Staatssekretär Kossendey informiert über Piraterie und deren Bekämpfung

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    Das Phänomen des Seeraubes existiert seit der Antike, auch wenn das Entdeckerzeitalter vom 15. bis 17. Jahrhundert als seine Blütezeit gilt. Zeitweise in Vergessenheit geraten, war die Piraterie jedoch nie verschwunden und ist heute aktuell wie nie. Laut Kossendey tritt sie immer dann verstärkt auf, wenn der Seehandel ein ausreichendes Aufkommen bietet, in den betroffenen Gebieten eine handlungsfähige Ordnungsmacht fehlt und die Küstenbevölkerugn darin eine lohnende Alternative zu ihrem Broterwerb sieht. All das trifft rund um das Horn von Afrika zu, der Gefahrenbereich erstreckt sich bis zu den Malediven und der Küste Indiens. Doch die Piraten agieren nicht mehr nur in Küstennähe, Operationen von einem großen Mutterschiff aus ermöglichen sogar Angriffe mitten auf dem Indischen Ozean. Dass sichere Seewege für Deutschland besonders wichtig sind, zeigte Kossendey anhand von Zahlen: Mit 300 Reedereien verfügt Deutschland nach Griechenland und Japan nicht nur über die größte Handelsflotte der Welt, es ist auf einen reibungslos ablaufenden Import- und Exporthandel angewiesen. Während sich für die EU 90 Prozent des Außenhandels und 40 Prozent des Binnenhandels auf See abspielen und jährlich etwa sieben Milliardentonnen Güter pro Jahr transportiert werden, ist Deutschland bei Rohöl zu 97 Prozent und Rohstoffen wie Mangan, Kupfer oder Eisenerz zu 94 Prozent auf die Einfuhr angewiesen. Über 80 Prozent des Außenhandels finden ebenso per See statt. Kaperungsaktivitäten konzentrieren sich auf die Küstenregionen der ärmsten Gebiete der Welt, insbesondere die Region um Somalia, wo jährlich 25.000 Schiffe unterwegs sind, 3.500 unter deutscher Flagge. Neben USA, NATO und China hat die EU dort ihr Einsatzgebiet, als Operation "Atalanta" mit Beteiligung von Deutschland, Frankreich. den Niederlanden, Spanien und teilweise auch Norwegen. Hauptaufgabe ist es, Schiffe des Welternährungsprogramms vor Angriffen zu schützen, dann die übrigen Schiffe und zuletzt die Verfolgung der Piraten. "Es ist nahezu unmöglich, flächendeckend den Seeverkehr zu sichern", erklärt Kossendey. Um zumindest in der Passage um das Horn von Afrika, der "Straße von Arden", Schutz zu bieten, haben die Nationen gemeinsam einen "Transit-Korridor" geschaffen. Kriegsschiffe postieren sich während der Durchquerung entlang der Strecke und überwachen alle bei der EU angemeldeten Schiffe, wozu Kossendey dringend rät. 25 Prozent verzichteten nach wie vor darauf, teils aus technischen Mängeln. "Das ist eine ernste Sache und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden." Erweiterten Handlungspielraum haben die Einsatzkräfte im Kampf gegen die Piraten erst seit diesem Jahr, da sie sie bisher nur bis zur Wassergrenze verfolgen konnten. Treibstofflager und andere Ausrüstung an Land lagen außerhalb ihres Einflussbereich. Nun ist es erlaubt aus der Luft bis zu 2000 Meter weit ins Landesinnere zu agieren, allerdings nur im Hinblick auf Material. Menschen dürfen nicht angegriffen werden. Die Entscheidung steht in der Kritik, auch Mitglieder der Senioren-Union und Gäste aus dem militärischen Bereich kommentierten unterschiedlich. Können aber Piraten während eines Angriffs auf See gefasst werden, gestaltet sich auch deren Strafverfolgung schwierig. In Deutschland ist dies nur möglich, wenn deutsche Güter verletzt oder deutsche Seeleute betroffen sind. Auch die Übergabe an einen Drittstaat scheitert oft wegen fehlender Zuständigkeiten und das führt somit meist zur Freisetzung der Piraten. Die Zahl der Angriffe ist dank der verstärkten Operationen aktuell wieder gesunken, seit Ende 2011 habe es laut Kossendey keinen erfolgreichen gegeben. Um sie künftig weiterhin zu verhindern, sieht er die Reeder in der Pflicht, die mit einfachsten Mitteln wie Stacheldraht, Ausguck Attrappen, der Einrichtung eines "Panic Rooms" für die Besatzung oder schnellere Fahrten zu ihrem Schutz viel bewirken könnten. Darüber hinaus soll die Marine ihren Einsatz fortführen, in Zusammenarbeit mit den Betroffenen in Somalia wieder parlamentarische Strukturen geschaffen werden, die das Ausbreiten der Piraterie verhindern und dem Land Selbsthilfe ermöglichen. In der anschließenden Fragerunde waren die Arbeit der Soldaten und die Auslöser der Piraterie Thema. Letztere hat lokalen und internationalen Ursprung.Foto: nb/BVM