1. "Wir waren immer Freunde und Verbündete"

    Der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu ist Gast bei den Schaumburger Abendgesprächen in Bückeburg

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    BÜCKEBURG (hb/m). Im Rahmen der Schaumburger Abendgespräche der Friedrich-Ebert-Stiftung haben der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy und der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu vor rund 120 Besuchern im Großen Rathaussaal zum Thema: "Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen!" gesprochen. Karslioglu hat seine Jugendzeit in Deutschland verbracht, ist kurz vor dem Abitur 1969 in die Türkei zurückgekehrt. Seit dem 15. Januar 2012 ist er Botschafter seines Landes in Berlin. Sein Vater hat die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt seit 30 Jahren in Regensburg.

    Einleitend erinnerte Urban Überschär, der Leiter des Landesbüros Niedersachsen der Friedrich-Ebert-Stiftung, an die sogenannten "Anwerbeabkommen", die von der Bundesrepublik im Zeitraum von 1955 bis 1968 mit anderen Staaten getroffen worden sind, so auch am 30. Oktober 1961 mit der Türkei. Das Wirtschaftswunder des noch jungen Staates sei, so Überschär, dadurch erst möglich geworden.

    "In einer funktionierenden Demokratie muss man mit Vielfältigkeit umgehen können, muss sich auf Augenhöhe begegnen und darf keine Menschen ausgrenzen", betonte Sebastian Edathy.

    Integration setzt nach den Worten des heimischen Bundestagsabgeordneten das Bestehen von Chancengleichheit voraus. Diskriminierungen wegen der Herkunft eines Menschen seien zu verhindern. "Vielfalt muss gelebt werden", sagte Edathy und nannte als Ziel, "jedem jungen Menschen gleiche Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse zu gewähren".

    Hüseyin Avni Karslioglu meinte, "dass die türkische und die deutsche Seite in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht haben". Weder die Menschen, noch der türkische und der deutsche Staat hätten geglaubt, dass das Zusammenleben von so langer Dauer sein werde. Vier, fünf Jahre in Deutschland arbeiten, dann ein Stück Land in Anatolien kaufen und die erste Rate für den Trecker auf dem Konto seien beabsichtigt gewesen.

    "Die Gastarbeiter von gestern sind ein unverzichtbarer Teil Deutschlands geworden", so der Botschafter. "Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen sei, sie zu gestalten", zitierte er Willy Brandt. Der Aufbau einer gemeinsamen Zukunft könne aber nicht einseitig, sondern nur zusammen erfolgen. Die Türken hätten zu der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands in den letzten 52 Jahren einen enormen Beitrag geleistet, hätten auch davon profitiert, so dass beide Seiten gewonnen hätten.

    Es sollten, so Karslioglu, durch "verletzende Stimmen" keine Schatten auf die Erfolge bei der Teilhabe geworfen werden. "Eine Teilhabe gelingt aber nur bei Einbringung in die Gesellschaft", sagte Karslioglu und mahnte die türkisch-stämmigen Mitbürger, mehr in die Bildung der nächsten Generation zu investieren. "Bildung ist wichtig und beginnt im Kindergarten", forderte der Botschafter ein zweisprachiges Aufwachsen der jungen Generation.

    "Für Menschen, die zweisprachig aufwachsen und sich in zwei Kulturen zurechtfinden, bedarf es einer doppelten Staatsbürgerschaft, wie sie Deutschland mit vielen anderen Staaten vereinbart hat", sagte Karslioglu. "Wir waren immer Freunde, Verbündete und Waffenbrüder, haben nie Krieg gegeneinander geführt - warum soll es Loyalitätsprobleme geben?"

    Foto: hb/m