1. "Ein Kollektiv lässt sich leichter überwachen"

    Mittagsgespräch / Autorin Freya Klier schildert ihre persönlichen Erfahrungen mit der DDR

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    Klier wurde 1950 in Dresden geboren, kam nach der Verhaftung ihres Vaters im Alter von drei Jahren ins Kinderheim. 1968 scheiterte ihr Versuch der Republikflucht; sie wurde zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. 1988 wurde sie zusammen mit anderen Bürgerrechtlern verhaftet und unfreiwillig ausgebürgert. Sie lebt heute als Autorin und Filmregisseurin in Berlin. "Ihre Generation hat die Aufgabe, in den mehr als 50 auf der Welt existierenden Diktaturen für andere Verhältnisse zu sorgen", meinte Klier einleitend in Richtung der Gymnasiasten, die es mit ihren Lehrern im Unterricht noch nicht bis zur Geschichte der DDR geschafft haben. Die 50er Jahre seien das Jahrzehnt gewesen, in dem die Menschen massenweise geflohen sind, bis dann die Mauer gebaut wurde.Im Kinderheim wurden russische Lieder gelernt, und es wurde heftig geschlagen, "alles im Namen des Friedens". Täglich mussten die Kinder zum Appell in der Stalin-Gedächtnisecke antreten, der 25 bis 30 Millionen Menschen habe ermorden lassen. In der Zeit der SBZ sei nach dem Tod des "geliebten Führers Adolf Hitler die Führertreue auf Stalin übertragen" worden. Klier konnte erleben, dass "Wahrheitsliebe in der Diktatur verhängnisvoll" ist. In den 60er Jahren wurde nach den Worten von Freya Klier in der DDR die Individualität abgeschafft. "Ein Kollektiv lässt sich eben leichter überwachen", so Klier. Es sei das grausamste Jahrzehnt gewesen, mit der zweithöchsten Selbstmordquote auf der Welt nach Ungarn. In den 70er Jahren sei es weiter bergab mit der DDR gegangen. Die Drangsalierungen seien etwas zurückgenommen worden. Das Mittelmaß wurde gefördert, "wenn die politische Linie korrekt war". In den 80er Jahre wurde laut Klier in der DDR nach anderen Wegen gesucht. Mathematisch-naturwissenschaftliche Talente wurden gesucht und gefördert. 20 Jahre nach dem Mauerbau wollten die Jugendlichen nur noch raus. Es entstanden Jugendclubs und Discos. Etwa 40 Prozent der Titel kamen aus dem Westen. "Die Jugend durfte Jeans tragen, Beatles und Rolling Stones hören - Angehörige meiner Generation haben dafür noch vier Jahre im Gefängnis gesessen", erinnert sich Klier. Das letzte Jahrzehnt der DDR sei "nicht mehr so brutal" wie zuvor gewesen. Die nach 1978 Geborenen hätten nicht mehr so furchtbare Erfahrungen gemacht. Foto: hb/m