Geboren ist sie in Namibia. Aufgewachsen auf einer Farm. Um sie herum das Volk der Buschmänner, die San. Laut wissenschaftlichen Forschungen sind die San, die ursprünglichste Form des menschlichen Daseins.
Schicksal. "Ich habe ihre Hand gehalten, wenn sie krank waren", erinnert sich Gisela Vogt. Ihre Mutter habe ihr später erklärt, warum dieser Mensch dann plötzlich nicht mehr da war. "Ich war mittendrin." Und plötzlich war das gerade mal 18-jährige Mädchen selbst schwer krank. Mit einem Schiff kam Gisela Vogt in ein deutsches Tropenkrankenhaus. Geld für die Rückkehr hatte sie nicht. Sie begann eine Ausbildung zur Arzthelferin. 1960 zog sie nach Schaumburg. "Ich war schon immer bei Hausärzten angestellt, die darauf bedacht waren todkranke Menschen zu Hause zu betreuen", erklärt Gisela Vogt. Die Betreuung hat sie übernommen. Sie setzt ihre Arbeit als Sterbebegleiterin fort. Mit 27 Jahren flog sie das erste Mal zurück nach Namibia. Ihr Vater lag im Sterben. Eine Woche hatte sie, um sich von ihm zu verabschieden. Er starb erst, als sie zurück in Deutschland war. "Ich habe das Gefühl, etwas versäumt zu haben", sagt Vogt. Sie gibt nun anderen Menschen das, was ihr in ihrem eigenen Leben verwehrt blieb. "Meine Mutter hat nie gewollt, dass ich das mache. Sie hat immer gesagt, ich bin viel zu sensibel dafür."
Erleichterung. Endlich ist jemand da, der einem die Richtung weist. Gisela Vogt leistet für die Angehörigen des Kranken Schwerstarbeit. Sie bespricht mit ihnen alle Eventualitäten und sorgt dafür, dass der Erkrankte zuhause sterben kann. "Ich erfrage die Biografie und gestalte die Freizeit des Sterbenden mit Dingen, die er immer gern getan hat", erzählt Vogt. Sie legt Lieblingsmusik auf oder liest vor. Die Familie kann aufatmen. Alltägliche Dinge erledigen. "Es ist schön mit anzusehen, wie sich der Mensch im Sterbeprozess immer noch weiterentwickelt. Sterbende Menschen geben sehr viel". Schon als Kind hat sie das gespürt. Ihr jüngster Klient war 38 Jahre alt. Hinterließ einen Ehemann und zwei Kinder. "Ich habe das irgendwie im Gefühl, was jemand braucht", sagt sie. Zweimal sei es ihr schon passiert, dass sie einige Zeit nichts vom Erkrankten gehört hat. Plötzlich wachte sie nachts auf und wusste, dass dieser jemand gestorben ist. Bauchgefühl.
Beten. "Ich leide zwar mit, werde aber nicht depressiv", erklärt Gisela Vogt, "sterben ist für mich genauso besonders wie die Geburt." Sie sei christlich. Aber nicht zu viel. In der Malerei hat sie einen Weg gefunden, sich "abzureagieren".
Manchmal ist sie blockiert. Dann tut sich lange nichts auf der Leinwand. Gisela Vogt ist jetzt 74 Jahre alt. "Ich gebe alles auf, aber nicht die Begleitung von Sterbenden", sagt sie. Foto: wa