1. Er steht auf krummes Gemüse

    Der Berliner Koch Florian Kliem setzt auf eine bodenständige Lebensweise

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    BÜCKEBURG (wa). Ein moderner Revoluzzer auf den Spuren der bodenständigen Lebensweise: So könnte man den 29-jährigen Koch Florian Kliem aus Berlin bezeichnen. In einem Dorf in Mittelhessen umgeben von traditioneller Landwirtschaft aufgewachsen, hat er von Kindesbeinen an einen großen Bezug zu Lebensmitteln und deren Herkunft gehabt. Obst und Gemüse gab es von regionalen Bauern. "Für mich war das immer eine Selbstverständlichkeit", sagt Kliem im Gespräch mit dem Schaumburger Wochenblatt. Sein Interesse für Lebensmittel war geweckt und er begann mit Praktika und Ferienjobs in der Gastronomie – hinter dem Herd.

    Später landete er in der Sternegastronomie. "Ich habe mich immer gefragt, wo kommen die ganzen Lebensmittel überhaupt her? Und warum wird so viel gedankenlos weggeschmissen?" Kurioserweise gab es nur eine Antwort: Das wurde schon immer so gemacht. Damit hat er sich nicht abgefunden. 2011 machte sich Florian Kliem zusammen mit Freunden selbstständig. Im Stadtteil Kreuzberg eröffnete er die "Kantine NEUN". "Wir arbeiten nach unseren eigenen Strukturen", erklärt Kliem. Das heißt: Alle Mitarbeiter bekommen das gleiche Gehalt. Die Zutaten für die Speisen werden ausschließlich von regionalen Produzenten abgenommen. Frei nach dem Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie. Es gibt vegetarische und vegane Gerichte aber auch Fleisch. Neben einer Tageskarte gibt es immer Currywurst vom Havelländer Apfelschwein. Oder die "Krumme Gemüsesuppe" aus Ernteüberschüssen. Lieferanten sind unter anderen die "Wilde Gärtnerei", ein Gemüsebaumischbetrieb mit Ackerland, Obst- und Kräuterwildsammlung etwa 30 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Dort zu finden ist eine Versorgungsgemeinschaft, die ihre Ernteanteilhaber (Mitglieder) in sogenannten Kiezgruppen ganzjährig mit Gemüse, Obst und Säften versorgt. Grundlage sind ein Monatsbeitrag und sechs Arbeitstage im Jahr auf dem Hof. Das Fleisch bezieht Kliem von "Meine kleine Farm – Wir geben Wurst ein Gesicht", einem Zusammenschluss von Bauern, die auf artgerechte Tierhaltung Wert legen. Fernab von anonymem Massentierfleisch, können sich die Kunden dort ihre Wurst vom noch lebenden Schwein und Rind selbst aussuchen.

    Nebenbei arbeitet Kliem mit einem Bildungsträger zusammen, veranstaltet Workshops mit Kindern und Jugendlichen, fährt mit ihnen raus aufs Land und lehrt ihnen die Wertschätzung von Leben und Lebensmitteln. Er will Denkanstöße geben. Anregen. "Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand, aber immer ohne erhobenen Zeigefinger", sagt der Koch. Öffentliche Aktionen wie die Schnippelparty am Bückeburger Marktbrunnen (Sonntag, 1. Juni, 13 bis 18 Uhr) sind für ihn ein wichtiger Teil, Menschen zum Umdenken zu animieren. Schritt für Schritt arbeitet er daraufhin, regionale Lebensmittel und den wertschätzenden Umgang mit ihnen wieder zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Wer mal probieren möchte wie das schmeckt, sollte sich die Schnippelparty in Bückeburg nicht entgehen lassen. Foto: pr