BÜCKEBURG (nh). Unter dem Thema "Zunehmender Antisemitismus beunruhigt uns! Was können wir tun? Was müssen wir dagegen unternehmen?" mit Referent Fritz Winkelhake lud das Schaumburger Gesprächsforum zu einem Vortrag samt Diskussionsrunde in das Begegnungszentrum ein. Winkelhake, der sich bereits seit über 50 Jahren mit dem Thema befasst und unter anderem 43 Besuche in Israel absolviert hat, berichtete umfassend über die Entstehung, Entwicklung, unterschiedliche Formen und Aktualität des Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Zunächst konnte Winkelhake den Befürchtungen, der Antisemitismus in unserer Gesellschaft würde weiter erstarken, eine Absage geben. Laut aktuellen Umfragen sei die Neigung zum Antisemitismus, das Misstrauen gegenüber Juden und Judenhass unverändert geblieben. Nach wie vor hätten rund 15 bis 20 Prozent der Bürger antisemitische Vorstellungen - das sei zwar immer noch hoch, jedoch auch nicht höher als in den vergangenen Jahrzehnten. Dabei seien die Vorbehalten gegen Juden nach wie vor dieselben - was Winkelhake anhand prägnanter Zitate, die ihm von verschiedensten Seiten in den vergangenen 50 Jahren zu Ohren gekommen sind, veranschaulichte. Diese zeugen von Misstrauen, Missgunst und auch Neid und sind oft begründet in der langen und oft schwierigen Geschichte und der Position der Juden in der Gesellschaft. Dies habe bereits vor den Zweiten Weltkrieg zu erheblichen Repressalien gegen die Juden geführt bis hin zu einer Stigmatisierung durch das Leben in Ghettos, den Entzug vereinzelter Bürgerrechte bis hin zu den Gräueltaten durch das NS-Regime im Holocaust. Erschreckend findet Winkelhake, selber jahrzehntelang als Lehrer tätig, das rund 40 Prozent der heutigen Jugendlichen nichts mehr mit Ausschwitz anfangen könnten, was auch zu Kopfschütteln bei den rund 30 Besuchern des Gesprächsforums führte. Beim Rezitieren aus Briefen und Schriftstücken, die von Zeitzeugen oder Überlebenden des Holocausts verfasst worden sind, wird es ganz still in der Begegnungsstätte - ergreifend und erschütternd waren viele dieser Worte, bei denen auch Winkelhake schlucken muss. "Sowas geht einem nicht mehr aus dem Kopf", resümierte der Referent. Um zu verstehen, wie der Antisemitismus aus Vorbehalten und Misstrauen gegenüber Juden entstehen konnte, ging er weit in die Geschichte zurück - mit der Erkenntnis, dass schon zu frühster Zeitrechnung Anhänger der jüdischen Religion mit Argwohn und Misstrauen betrachtet wurden. Hier raus entwickelten sich tieferliegende Vorurteile, die sich in Teilen der Gesellschaft verfestigten. Winkelhake unterscheidet in der Entwicklung jedoch zusätzlich unter dem christlichen Antisemitismus und dem sich später mit der Prägung des Rasse-Begriffs entwickelnden rassistischen Antisemitismus mit den extremen Ausprägungen Rassismus und Judenhass. Auch die Rolle Israels in diesem Diskurs wurde beleuchtet. Hier machte Winkelhake deutlich, dass auch vonseiten der Israeliten und den dort lebenden Juden Gräueltaten bis hin zur Vertreibung der dort lebenden Araber geschehen sind und sich hieraus auch der Israelhass und der weiter schwelende Israelkonflikt begründet. Israelkritik sei jedoch nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen. "Man muss differenzieren können", erklärt der Israelexperte. Aktuell sieht Winkelhake keine Bedrohung durch den Antisemitismus per se, sondern meint eine Gefahr im möglichen Erstarken des "muslimischen Antisemitismus" zu erkennen, dessen Mechanismen und Entwicklung dem Judenhass ähnlich sei. Das dieses Thema für Kontroverse sorgt, war auch in der sich entwickelnden Diskussion mit den Forumsteilnehmern ersichtlich. Diese fragten nicht nur interessiert nach, sie diskutierten und erörterten auch angeregt die von Winkelhake aufgestellten Thesen und die ihnen präsentierten Fakten. Foto: nh
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Über Entstehung, Entwicklung und die Formen des Antisemitismus
Schaumburger Gesprächsforum in der Begegnungsstätte / Fritz Winkelhake referiert zum Thema
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