1. Gegen eine allgemeine Impfpflicht – aber aus den unterschiedlichsten Gründen

    NDR Streitsendung "Jetzt reichts" im Forsthaus Bückeburg / Protest von Impfpflicht-Gegnern / Mehr aufklären

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    BÜCKEBURG (nh). An der geplanten Masern-Impfpflicht scheiden sich die Geister. Zum 1. März soll das Bundesgesetz, welches Kinder vor dem Besuch einer Kindertagesstätte, aber auch Lehrer und Erzieher dazu verpflichtet, sich impfen zu lassen, in Kraft treten. Selbst unter denjenigen, die eine allgemeine Impfpflicht ablehnen, unterscheiden sich die Gründe für diese Ablehnung. Dass diese Debatte nicht nur wissenschaftlich, sondern von vielen auch überaus emotional geführt wird, wurde auch bei der Aufzeichnung der NDR-Streitsendung "Jetzt reichts" zum Thema "Die Masern-Impfpflicht kommt - Allheilmittel für das Allgemeinwohl" im Forsthaus deutlich. Denn nicht nur die Diskussion zeigte verhärtete Fronten auf - auch eine im Anschluss stattfindende Protest-Mahnwache der Impfpflicht-Gegner machte dies deutlich. Schwierige Expertensuche Gegen die Impfpflicht zu sein, heißt nicht automatisch auch, gegen das Impfen per se zu sein. In der Diskussion mit Moderatorin Anke Genius wurden diese unterschiedlichen Positionen deutlich. Gäste waren der Kinderarzt Dr. Thomas Buck aus Hannover sowie die Ärztin der Homöopathie, Dr. Carola Javid-Kistel aus Duderstadt. Dr- Stefan Schmidt-Troschke, Mitbegründer der Initiative "Ärzte für individuelle Impfentscheidung", wurde aus Berlin zugeschaltet. Moderatorin Anke Genius berichtete bereits im Vorfeld, wie schwierig es war überhaupt Experten zu finden, die sich zu diesem Thema äußern. Und die unterschiedlichen Positionen der Gesprächsteilnehmer wurden bereits zu Beginn ersichtlich: Während sich der Kinderarzt Dr. Buck zwar gegen eine allgemeine Impfpflicht, aber nicht gegen das Impfen per Se ausspricht, berichtet Dr. Javid-Kistel von zahlreichen Patienten mit Impfschäden und den ihrer Ansicht nach "ungeheuerlichen Gefahren", die von der Masern-, Mumps- und Röteln-Impfung ausgehen würde. Risiken abwägen Vom Atemnot nach dem Impfen über Fieber bis hin zu Entwicklungsverzögerungen seien zahlreiche Komplikationen möglich. Javids Äußerungen wurden zum Teil nicht nur vom Publikum, sondern auch von Kinderarzt Buck als panikmachend bewertet -"das ist Hanebüchen", so der Kinderarzt. Javid selber berichtete von traumatischen Impf-Ereignissen in der eigenen Kindheit und einer Erkrankung mit Masern trotz Impfung. Für Javid Grund zu proklamieren, dass die Impfungen keinen 100-prozentigen Schutz, sondern eher Gefahren bergen würden. Zudem gebe es keinen einzelnen Impfstoff nur gegen Masern, Eltern müssten also immer auf die Dreifachimpfung zurückgreifen. "Nur weil es keinen vollkommenen Schutz gibt, heißt es nicht, dass wir dadurch nicht die Krankheitsrisiken minimieren können. Gäbe es eine nahezu sichere Impfung gegen Krebs - würden Sie diese auch Ihren Kindern und Patienten verweigern?", war die Frage der Bückeburgerin Susanne Parlow, die sich für eine allgemeine Impfpflicht aussprach. Auch ihre drei Kinder seien alle geimpft und das Risiko, welches von einer Erkrankung ausgehe, sei höher zu bewerten als das von Impfschäden. Buck wiederum betonte dass große Ansteckungsrisiko, besonders für Neugeborene und Schwangere, sowie weltweit steigende Erkrankungszahlen. Zwang stößt auf Gegenwehr Dennoch sprach sich auch der Kinderarzt gegen eine allgemeine Impfpflicht aus, denn mit Zwang könne die gewollte Wirkung nicht erzielt werden. Eher sollte weiter aufgeklärt werden und die Eltern so selber Risiken abwägen. Auch Mediziner Schmidt-Troschke schloss sich diesem an: "Eine allgemeine Impfpflicht wäre ein maßgeblicher Eingriff in die Freiheit. Diese Handlungen sollten auf Vertrauen basieren, ein Zwang könnte den Impfwillen weiter mindern. Eigentlich haben wir abfallende Masern-Zahlen in Deutschland, doch es wurde große Angst davor verbreitet". Tatsächlich habe es in 2018 lediglich 543 Masern-Fälle in Deutschland gegeben, jedoch sorgten zwei Masern-Wellen in Hildesheim für Aufsehen. Derzeit habe man einen guten Impfstatus erreicht, doch man dürfe nicht jetzt damit aufhören. "Wenn ein Erkrankter hier im Raum wäre, gäbe es eine 95 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass man sich als ungeimpfter angesteckt hätte", machte Buck deutlich. Natürlich gebe es Impfschäden, diese seien jedoch wirklich selten. Doch dass Impfen und Hygiene sich maßgeblich lebensverlängernd auswirken, sei undiskutabel. Auch Dr. Schmidt-Troschke hielt ein Pladöyer dafür, dass Eltern weiterhin wach bleiben, sich über Risiken informieren aber auch keine Angst machen lassen sollen. Zeitgleich zum Ende der Veranstaltung hatten sich vor dem Forsthaus rund 50 Eltern auf Initiative aus den Impfstammtischen mit ihren Kindern versammelt, um gegen die geplante Impflicht zu protestieren. "Diese Entscheidung sollte in den Händen der Eltern liegen", so der Tenor der Prostestler. Foto:nh