Ein herbstlicher Oktobertag in Bückeburg: das regennasse Pflaster spiegelt das Morgenlicht an der Ecke Sableplatz und Bahnhofstraße. Die Bürger eilen geschäftig an mir vorbei, während ich mich auf den Weg ins Hubschraubermuseum mache. Der gläserne Anbau ist eine prägnante Ortsmarke und von Weitem sichtbar. Schon von außen kann man in der Glasvoliere einige der guten Stücke erspähen - was mich im Inneren Beeindruckendes erwarten würde, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Für mich ist es der erste Besuch der Dauerausstellung und so starte ich unvoreingenommen und neugierig in die spannende Welt der Drehflügler. Das 1971 an dieser Stelle von Werner Noltemeyer etablierte und ursprünglich Anfang der 1960er Jahre in Achum gegründete Museum ist einzigartig in dieser Form in Europa und das Zuhause für 50 Hubschrauber und über 1000 Modelle und Komponenten - teilweise Prototypen oder Maschinen mit Seltenheitswert, die heute nicht mehr hergestellt werden. Im Museum zuhause Die Geschäftsführer Kerstin und Dieter Bals, ebenfalls Museumsleitung, erwarten mich bereits. Mit ihrer Hilfe und Expertise werde ich heute in die Welt des Vertikalfluges eintauchen. Obligatorisch ist natürlich der Corona-Check: "Bei uns gelten die üblichen Regeln - Maske tragen, Abstand halten und Hände desinfizieren am Eingang. Hinzu kommt eine Einbahnstraßeregelung, an die sich auch 95 Prozent der Besucher halten", informiert Kerstin Bals. Aktuell dürfen maximal 40 Personen gleichzeitig in das Museum, auf der weitläufigen Ausstellungsfläche von fast 3000 Quadratmetern können Besucher gut Abstand halten. Dennoch macht sich die Pandemie und die rund zweimonatige Schließung bei den Besucherzahlen bemerkbar. "Wir hatten von März bis August rund 5000 Besucher weniger, dieses Geld fehlt natürlich. Ebenso haben wir weniger Einnahmen durch die Vermietung des Veranstaltungsraumes, da ist eine beachtliche Summe zusammengekommen", führt Dieter Bals weiter aus. Glücklicherweise habe dieser Fehlbetrag durch die beantragte Soforthilfe des Bundes und großzügige Spenden zahlreicher Mitglieder wieder aufgefangen werden können. Dennoch bleibt die Lage angespannt: "Der Winter ist generell schlechter. Reisegruppen kommen derzeit nicht und monatlich haben wir rund 1000 Besucher weniger als üblich. Wir haben bereits das Stundenvolumen der Aushilfen reduziert und vieles selbst übernommen zu unseren eigenen Aufgaben", erklärt Kerstin Bals. Generell lebe das Museum vom Einsatz ehrenamtlicher Kräfte. Auch Kerstin Bals und ihr Mann machen hier viel ehrenamtlich aus Leidenschaft: "Wir leben das Museum, hier ist quasi unser Zuhause". 3000 Quadratmeter für den Vertikalflug Doch all dies tut der Motivation keinen Abbruch - Dieter Bals ist bereits mit den Gedanken bei dem neusten Coup, den er zusammen mit Modellbaukoryphäe Dieter Schlüter und General Wolski ausgeheckt hat: der Mars-Helikopter "Ingenuity" soll bis nächstes Jahr eins zu eins nachgebaut und, wenn alles klappt, zum Internationalen Hubschrauberforum im Juli der Öffentlichkeit präsentiert werden. Einen Platz im Museum gibt es schon für den kleinen, ein Meter hohen und 1,20 Meter breiten Marshubschrauber. Die insgesamt acht Themenbereiche des Museums verteilen sich auf das "alte" Museum, den Burgmannschen Hof (erstmals urkundlich erwähnt im 15. Jahrhundert), die Ausstellungshalle sowie auf den 2011, zum 40. Jubiläum des Museums, eingeweihten gläsernen Neubau samt "Voliere". In dieser, zugleich Deutschlands größter Modellflugvitrine, beginnt unser Rundgang. Hier wartet ein Maßstabsgetreues Modell des "Cornu II", dem ersten Hubschrauber, mit dem überhaupt ein Flugversuch gelungen ist. Dieser dauerte zwar nur 20 Sekunden, war aber für 1907 revolutionär. Dieses Modell wurde von Dieter Bals und Dieter Störig eigenhändig nachgebaut und zum 100-jährigem Jubiläum des ersten Helikopterfluges mit einer dramatischen Inszenierung samt Musik und Nebelmaschine 2007 enthüllt. "Ein wahrlicher Gänsehautmoment war das damals", bekräftigt Dieter Bals. In der Voliere lassen sich zudem noch weitere, für die Entwicklung der Hubschrauber wichtige, Exemplare, wie der Focke-Wulf Fw61 oder der Bo-105, begutachten. Ein perfekter Ausgangspunkt, um die gesamte Geschichte der Hubschrauber-Fliegerei zu erfahren. Weiter geht es in die "Wunderkammer", in der Besucher anschaulich erfahren, wie bereits seit tausenden Jahren die Menschheit dem Wunsch des Fliegens nacheifert. Von Ikarus in der Antike, Leonardo Da Vinci in der Renaissance und Thomas Edison in der Industrialisierung - sie alle waren fasziniert vom Fliegen. Eine eigene Galerie widmet sich diesen Pionieren.Foto:nh Fortsetzung folgt... Hubschrauber zum Anfassen Doch der tollste Hubschrauber ist nichts ohne sein Innenleben, seine Technik. In diesem Themenbereich dürfen Besucher nicht nur Wertvolles Lernen, sie sind ebenfalls eingeladen, verschiedenste Dinge auszuprobieren, anzufassen und so mit allen Sinnen zu erleben. Ein kleiner Junge läuft mit seiner Mutter aufgeregt durch die Ausstellungshalle, die gefüllt ist mit großen, beeindruckenden Hubschraubern und so manchem kleinem Schätzchen. Mit großen Augen staunt der Bub, als Dieter Bals ihn auffordert, in die "Alouette II" zu steigen. Plötzlich macht der Hubschrauber im Herresfliegerraum Rotorengeräusche, der Junge schaut erschrocken und zugleich begeistert hoch. "Wir haben hier nicht nur Hubschrauber zum Anschauen, sondern auch zum Anfassen", schmunzelt Dieter Bals. Auch ich darf kurz einsteigen und staune über die vielen Knöpfe im Cockpit. Dieter Bals währenddessen verblüfft mit einer enormen Expertise zu den Drehflüglern - kein Wunder, ist er selber über 25 Jahre als Bordtechnischer Offizier eine Sikorsky HC53 geflogen. Sein absoluter Lieblingshubschrauber, der als mittelschwerer Transporthubschrauber Platz für bis zu 40 Soldaten bietet. Da sich diese Maschinen noch aktiv im Einsatz finden, lassen sie sich bisher kaum in Museen finden. Doch eines dieser Exemplare wird bald den Weg nach Bückeburg finden. Eine fast 50-jährige Maschine ist dem Museum zugesagt worden und wird demnächst die Ausstellung ergänzen - bisher gab es das gute Stück nur als Modell im großen Veranstaltungsraum. Zudem soll das Museum im Frühjahr eine Dauphin als Geschenk von "Heli-Flight" erhalten. Hier werden für Aufbau und die notwendigen Stelen noch Fördermöglichkeiten und Sponsoren gesucht. Eine Reporterin hebt ab Der Rundgang durch die Hubschrauberhalle führt uns weiter an so manchen raren Schätzchen vorbei bis hin zu Kerstin Bals Lieblingsstück, dem Eurocopter EC-665 "Tiger". Dieser beeindruckende Panzerabwehrhubschrauber, und zwar genau das in Bückeburg ausgestellte Exemplar, wurde 1995 bei den Dreharbeiten zum James Bond Film "Golden Eye" verwendet. Ich darf einen Blick ins Cockpit werfen, muss dafür aber meine Kletterkünste beweisen. Die technische Ausstattung im Cockpit macht mich fast sprachlos - so viele Knöpfe, eine Wissenschaft für sich. Unser Rundgang führt mich weiter durch die vollgepackte Halle, zu Staunen gibt es hier jede Menge. In der Garage erfahre ich mehr über die Tüftler und Bastler und sehe einige innovative Modelle, die es leider nicht in die Massenproduktion geschafft haben. Die Themenbereiche führen uns weiter zu den Menschen hinter der Technik bis hin zu der Zukunft des vertikalen Aufstiegs - doch soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden. Was ich nach meinem informativen Rundgang jeden nur empfehlen kann: eine Führung macht einen Besuch im Hubschraubermuseum zu einem abgerundeten und äußerst interessanten Erlebnis, bei dem jede Menge gelernt werden kann. Zum Abschluss darf ich im Flugsimulator noch selber eine Runde mit dem Helikopter fliegen - natürlich mit Hilfe von Dieter Bals, der dafür Sorge trägt, dass Hubschrauber und ich keine Bruchlandung über dem schönen, wenn auch simulierten, Bückeburg hinlegen. Sicher landen wir auf einem Feld und ich fühle mich ein wenig wie ein echter Pilot. Ein tolles Erlebnis, dass ich jedem abenteuerlustigen Museumsbesucher wärmstens an Herz lege. Foto:nh
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In die Faszination der Drehflügler eintauchen Geschichte und Zukunft vereint unter dem Dach des Hubschraubermuseums
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