BÜCKEBURG (nh). Manchmal entstehen aus kleinen Begegnungen ganz langsam bedeutende Entwicklungen. So war es auch beim im Juli diesen Jahres neu gegründeten Verein "Interkulturelles Treffen e.V.": Die Geschichte dahinter ist bestückt mit vielen kleinen, aber umso prägenderen Erlebnissen, die bei allen Beteiligten persönlich Eindruck hinterließen und langsam aber sicher eine größere Idee keimen ließen. Die beteiligten Gründungsmitglieder Birgit Mertens und Mahdi Al Fatlawi lernten sich vor fünf Jahren bei einem Deutschsprachkurs kennen - sie als Lehrerin, er als Schüler. Daraus entstand nicht nur eine Freundschaft, sondern hier legte sich auch der Grundstein für eine viel größere Idee. Gemeinsamer Film gibt Impuls "Ich unterrichtete zu der Zeit Geflüchtete im evangelischen Gemeindehaus. Al Fatlawi war mir dort schon aufgefallen: immer hilfreich und vermittelnd, durch sein großes Interesse und seine feinsinnige Wahrnehmung kamen wir in Kontakt und unterhielten uns immer häufiger", berichtet Mertens aus dieser Zeit. Aus dem Austausch entwickelte sich die Idee, einen gemeinsamen Film zu machen zum Thema "Willkommenskultur". "Die Perspektive, wie Geflüchtete die Situation, Deutschland und die Menschen mit ihren Augen betrachten und wie die sogenannten "Fremden" uns wahrnehmen, das hat uns interessiert". Der aus dem Irak stammende Mahdi Al Fatlawi brachte die entsprechende Expertise mit: in seinem Heimatland haben er und Mitglieder seiner Familie über 30 Jahre lang aktiv Filme gemacht. "Eine Kamera wurde über die Caritas organisiert, dann brauchten wir Schauspieler und alles drumherum. Ich habe mich mit Birgit zusammengesetzt, denn das Drehbuch, das hatte ich bereits alles im Kopf", erzählt Al Fatlawi. Maßgeblich an der Ausarbeitung des Projektes beteiligt war auch Clemens Schwan von der Caritas, der mit seinem umfangreichen Netzwerk unter anderem half, Kontakte zu knüpfen. So wurden das Konzept ausgearbeitet und Schauspieler organisiert - hier halfen sowohl befreundete Familien aus dem Irak und Syrien als auch der Sohn von Birgit Mertens mit. Alles andere - Musik, Ton, Schnitt -übernahm Regisseur Al Fatlawi. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: der rund 35-minütige Film wurde im Juni 2018 im katholischen Pfarrheim vor über 100 Zuschauern gezeigt. Dieses Projekt gab den entscheidenden Impuls für die spätere Vereinsgründung. Als Verein mehr bewirken Fatlawi wollte gern noch weitere Filme drehen, bei der Hochzeit eines befreundeten pakistanischen Pärchens - bei der Fatlawi als Filmer und Mertens als Trauzeugin anwesend waren - trafen beide dann auf einen Gast aus Hannover. Eine ebenfalls schicksalshafte Begegnung, denn dieser berichtete vom Sprachcafé in Hannover - ein Projekt, bei dem Einheimische und Geflüchtete zusammenkommen, sich austauschen und nebenbei Sprachkenntnisse verbessert werden. "Diese Idee hat uns gut gefallen. Schnell wurde klar: Sowas ähnliches wollen wir hier vor Ort auch machen", erinnern sich Fatlawi und Mertens begeistert. Schnell wurde sich nach einem geeigneten Ort umgesehen und das Projekt durfte sich temporär im Martin-Luther-Haus ansiedeln. "Ich habe bereits im Irak Erfahrungen in der Arbeit in Hilfsorganisationen und ähnlichen Vereinen gesammelt", fügt Fatlawi hinzu. Und auch Mertens wusste: Im Verein kann mehr bewirkt werden und entsprechende Mittel beantragt werden". Gesagt, getan - Mitte Juli, inmitten der Corona-Pandemie, fand die Gründungsversammlung für "Interkulturelles Treffen e.V." mit zehn Gründungsmitgliedern statt. Vielfältige Projekte Der Vorstand wurde aus Mahdi Al Fatlawi, Birgit Mertens und Agnes Möller gebildet. Möller betreut die Fahrradgruppe des Vereins, wo Geflüchteten -überwiegend Frauen - das Fahrradfahren beigebracht wird. Seit der Gründung trifft sich der Verein jeden Sonntag in der Begegnungsstätte - jeweils mit einem unterschiedlichen thematischen Fokus. So wird in der Musikwerkstatt gemeinsam musiziert, sehr zur Freude alle Teilnehmer, denn ab und zu wird auch das Tanzbein zu deutschen und orientalischen Tänzen geschwungen; in der Schreibwerkstatt wird gemeinsam geschrieben und persönliche Eindrücke zu Papier gebracht, im Sprachcafé wird - natürlich - gemeinsam gesprochen, und sich ausgetauscht. Vor dem zweitem Lockdown wurden auch gemeinsame Ausflüge unternommen, wenngleich die Ausgestaltung dieser noch überdacht wurde. So war bei einem Besuch in Hannover eigentlich angedacht, lokale Museen und Einrichtungen zu besuchen. "Doch wir wollten in die Stadt, die Menschen sehen. Was machen sie im Alltag, wie sieht das "normale" Leben dort aus? Das hat uns wirklich interessiert", schmunzelt Fatlawi. "Diese Begegnungen sind so wertvoll, sie fördern die Integration und bauen Brücken. Das ist genau das, was wir mit dem Verein erreichen wollen. Durch den Perspektivenwechsel soll das gegenseitige Verständnis gefördert und die jeweiligen persönliche Eindrücke verarbeitet werden. Wir haben uns gegenseitig so unglaublich viel zu geben, beide Seiten profitieren davon", fügt Mertens hinzu. Auch kleine kulturelle Unterschiede, die im Alltag zu Missverständnissen führen können, sollen aufgelöst werden. Aktuell macht der Verein nur durch Mundpropaganda auf sich aufmerksam, Kontakt wird über Whatsapp gehalten, eine Homepage soll zeitnah entstehen. Ein Verein sucht ein Zuhause Leider machen die aktuellen Kontaktbeschränkungen die Vereinsarbeit nicht einfacher, aktuell dürfen sich nur zehn Personen gleichzeitig treffen. "Wenn die Beschränkungen wieder gelockert werden, können wir mit voller Tatkraft weiter machen. Als Nächstes wollen wir vielleicht aus den Ergebnissen aus der Schreibwerkstatt ein Buch machen", gibt Mertens eine kurze Vorschau. Auch gemeinsamer Sport oder eine Theatergruppe wäre denkbar - eben alles, wo Menschen zueinander in Kontakt kommen. Derzeit würden ebenfalls noch Spenden für die Fahrradgruppe und die Musikgruppe benötigt. Bereits sechs neue Mitglieder konnte der Verein Anfang November begrüßen. "Es wollen noch viel mehr mitmachen, aber im Moment geht leider nicht viel. Was noch wichtiger ist: wir brauchen eigene Räumlichkeiten", macht Birgit Mertens klar. "Unser Verein sucht ein Zuhause!""Dann wäre es auch toll, wenn noch mehr Einheimische, Deutsche für noch mehr kulturellen Austausch bei uns mitmachen würden", wünscht sich Al Fatlawi. "Manchmal haben die Menschen Bedenken bei Geflüchteten. Doch wenn wir dann miteinander sprechen, sind diese schnell verflogen. Wir sollten miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, Vorurteile abbauen und voreingenommene Bilder überwinden", hofft Mahdi Al Fatlawi. Foto:nh
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"Wir können uns gegenseitig so viel geben"
Neu gegründeter Verein "Interkulturelles Treffen" widmet sich der Integration
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