1. "Auch ihr werdet weinen"

    Messerstecher legt Geständnis ab / Tat ging Streit voraus / Geschädigte sagt aus

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    RINTELN/BÜCKEBURG (nh). Dritter Prozesstag in der Hauptverhandlung über die Messerattacke mit anschließender Amokfahrt durch die Rintelner Innenstadt am Landgericht Bückeburg: Der Beschuldigte wirkt gelöst, lächelt die Angehörigen an, gleich wird sein Anwalt Carsten Grimm das vorbereitete Geständnis verlesen. "Ich war sehr verliebt in Frau G. und bereue zutiefst, sie verletzt zu haben", räumt Vergil-Lucian C. gleich zu Beginn ein. In Laufe der Verlesung wird deutlich: der Tat gingen Eifersucht und Verlustängste voraus. Das Zusammenspiel dieser Emotionen und der anhaltende Streit führte wohl zu dieser - laut Abgeklagtem - "ungewollten und unentschuldbaren" Tat. Er habe große Erinnerungslücken von diesem Abend und Alkohol getrunken, wollte Victoria G. "aber keinesfalls schaden". Im Gegenteil: Er habe sein ganzes Leben mit ihr verbringen wollen. Eifersucht führt zu Streit Am Tattag war der 23-jährige C. mit dem Bus aus dem Urlaub in Rumänien gekommen, er sei aufgrund einer Verabredung direkt zur Geschädigten G. gefahren. Seinen Schlüssel habe er in Rumänien vergessen, daher klingelte er und wurde eingelassen, so seine Aussage. Bereits schnell habe es Streit gegeben, C. habe G. unterstellt, sich mit anderen Männern zu treffen: "Ich wollte einen großen Teil meines Lebens mit ihr verbringen. Ich war recht eifersüchtig, mit der Tat hat dies aber nichts zu tun", so C.. Victoria G. sei nachmittags zu ihren Eltern gefahren, C. wurde in der Wohnung eingeschlossen und kam auf die Idee, ihren Instagram-Account zu durchsuchen. Dies habe bei G.'s Rückkehr zum erneuten Aufflammen des Streits geführt. Dieser sei dann schnell eskaliert, G. hab ihn angeschrien und er sich das Messer von der Küchenzeile gegriffen, um sich selbst zu verletzten. In Arme und Brust habe er sich selbst gestochen, doch G. habe kein Mitglied gezeigt. "Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne", so C., anschließend habe er auf G. eingestochen. "Wie oft, weiß ich nicht mehr. Als ich sah, dass sie blutet, wollte ich das nicht mehr". Dann habe er G., die aufs Bett gesackt war, liegen gelassen und sei mit ihrem Wagen geflüchtet. Es sei ihm bewusst geworden, dass sie sterben könne und er helfen müsse, wollte die Polizeistation anfahren, verspürte dann aber ein Stechen in der Brust und wurde ohnmächtig. Als er zu sich kam, sei er von Menschen umringt gewesen und versuchte diese über G.'s Zustand aufzuklären. "Ich habe an das viele Blut gedacht, ich wollte nicht, dass sie stirbt", versichert C.. Er habe an dem Tag Alkohol getrunken, was er sonst nicht tue. Bei einem Alkoholtest rund zwei Stunden nach der Tat konnte bei ihm jedoch keine Alkoholbeeinflussung festgestellt werden. Bedrohliche Chatverläufe In der anschließenden Befragung zeigten sich diverse Diskrepanzen im zeitlichen Ablauf. Die Auswertung der Chatverläufe machen den sich steigernden Streit deutlich. "Unsere Beziehung ist fertig", schrieb ihm Victoria G., "Du bist mein Leben, ich weine vor Trauer", schrieb Vergil C. Und dann noch: "Auch ihr werdet weinen!". Was damit gemeint war, wollte Landesgerichtspräsidentin Eike Höcker wissen. Die Antwort blieb der Angeklagte schuldig, an Vieles könne er sich nicht erinnern. Erinnerungslücken weißt auch die Geschädigte G. auf: in ihrer Aussage berichtet sie mit leiser Stimme vom Ablauf dieses Tages, diese Schilderungen unterscheiden sich jedoch deutlich von denen des Angeklagten. So sei unklar, wie er in ihre Wohnung gekommen sei, an ein Hereinlassen könne sie sich nicht erinnern. Sehr wohl aber an die Streitigkeiten und den unvermittelten Angriff. Sie habe sich noch mit den Händen vorm Gesicht verteidigen wollen, daher auch die Abwehrverletzungen an den Händen. Stiche trafen sie unter anderem unter den Schulterblättern und touchierten die Lunge. Dann wurde sie relativ schnell bewusstlos und lag danach eine Woche im Koma. Während sie von einer gescheiterten Beziehung spricht, bezeichnet der Angeklagte sie als intakt. Auch dass die Tat so nicht gewollt war, liest sich aus den ausgewerteten Chatverläufen anders. Noch kurz vor der Tat schrieb er mit einem Schulfreund aus Rumänien: "Schau morgen in die Nachrichten. (…) Ich habe eine große Dummheit getan (…) Ihr sollt alle auf euch aufpassen (rumän. Abschiedsgruß, Anm.d.Red.)". Auch Fotos seines blutverschmierten Halses hatte er versendet, erinnern könne er ich daran aber nicht. Folgeschäden Zwar wurde kein Alkohol in seinem Blut festgestellt, wohl aber Diazepam. Woher dies kam, sei unklar. Der Vater des Opfers berichtete, dass er bereits seit Längerem die Tochter kontrolliert habe und sehr eifersüchtig gewesen sei, auch den Verdacht der häuslichen Gewalt äußerte er. Bereits vor der Tat habe sie sich von C. nach etwa zwei Jahren Beziehung getrennt. "Ich hatte keine Gefühle mehr für ihn und seine Eifersucht hat genervt", sagt auch G. aus. Noch immer kämpfe sie mit Folgeschäden, die Feinmotorik der Hände sei eingeschränkt, sie sei sehr schnell erschöpft, kann ihren Beruf nicht mehr ausüben. Eine Entschuldigung vom Angeklagten wollte sie nicht hören, als er dies anbot. Aufgrund Unklarheiten im Zeitablauf, sollen am kommenden Montag weitere Polizisten, ein Sachverständiger und eventuell die Nachbarn gehört werden. Foto:nh