Im November 1973, vor also fast genau 50 Jahren, fand erstmalig
das Grünkohlessen des Bückeburger Bürgerbataillons statt. Was viele
nicht wissen: Bereits damals war die Veranstaltung weit mehr, als
nur das kameradschaftliche Verspeisen des beliebten Gemüses bei
gepflegter Trinkkultur - schon beim ersten Grünkohlessen verstanden
es die damalig Verantwortlichen, die Pflege des Miteinanders mit
der solidarischen Unterstützung des heimischen Gesellschaft zu
verbinden und sammelten Spenden für den guten Zweck. Los ging es
dabei sogar noch früher: Bereits Ende der 1960er Jahre
veranstalteten private Initiatoren erstmalig das Grünkohl-Event, um
Geld für die gute Sache zu sammeln. 1973 wurde schließlich das
Bürgerbataillon gefragt, ob diese Institution fortan die
Organisation übernehmen würde, zum Zwecke der Nachbarschaftspflege
und Spendensammlung. Schon die erste Veranstaltung, damals noch im
November, war durchaus erfolgreich, hatte aber mit einigen Hürden
zu kämpfen.
Festgefrorene Trompeten
So war es nicht nur sehr glatt, sondern auch bitterkalt - so sehr,
dass der Musikzug der Heereswaffenfliegerschule, dem
Vorgänger-Ensemble zu den Bückeburger Jägern, bei dem geplanten
Platzkonzert vor der Kirche über festgefrorene Trompeten klagte.
Das tat dem Erfolg der Veranstaltung, damals noch im ehemaligen
Forsthaus Heinemeyer, keinen Abbruch. 2000 Deutsche Mark kamen
damals zusammen, die damals für den Aufbau eines neuen
Jugendzentrums in Bückeburg verwendet wurden. Im Laufe der Zeit
wurde die Veranstaltung in den Januar und ab 1983 erstmalig in den
Rathaussaal verlegt, bevor es ab 2006 in den Wagen-Remise des
Schlosses ging, mit wechselnder Bewirtung vom Schäferhof und später
dem Minchen. 2016 ging es schließlich wieder zurück in den
Rathaussaal. Was über die Jahre leider irgendwann zeitweilig
verloren ging, war die traditionelle Spendensammlung: "Es ist nicht
mehr auszumachen, wann und wodurch", so Stadtmajor Martin Brandt,
der diesen Aspekt seit seiner Zeit als Vorsitzender wieder
aufgegriffen hat und gemeinsam mit den Mitgliedern wachsen ließ.
Seit 2003 arbeitet er im Vorstand mit, seit 2010 als
kommissarischer Vorsitzender und seit 2013 als Stadtmajor. "Dann
haben wir angefangen, vieles neu zu organisieren", erinnert sich
Brandt. Seitdem wird auf den Grünkohlessen wieder für die "Aktion
Kinderhilfe" gespendet, wobei rund 40.000 Euro seitdem für den
guten Zweck zusammengekommen sind.
Flexibel und unbürokratisch helfen
Unter anderem wurden damit Kindergärten und Schulen in der Region
bei Fahrten, Anschaffungen und Projekten unterstützt, ebenso die
Tafel, heimische Vereine und soziale Institutionen und im letzten
Jahr Interhelp zugunsten der Ukraine-Geflüchteten. "Wir haben in
unserem sozialen Profil auch eine gewisse Flexibilität in den
letzten Jahren entwickelt - um dort zu helfen, wo schnelle und
unbürokratische Hilfe nötig ist", erklärt Brandt. Zudem stärkt das
Bürgerbataillon sein soziales Profil weiter, indem regelmäßige
Besuche, beispielsweise beim Altenheim zum Weihnachtssingen,
etabliert wurden. "Der Ursprungsgedanke des Bataillons war, etwas
für die schwächsten in der Gesellschaft zu tun", so Brandt.
Moderner werden
Hinzu schrieb sich das Bürgerbataillon auf die Fahne, sich mehr für
die Öffentlichkeit zu öffnen, das etwas eingestaubte Image eines
"Männertrinkvereins" abzulegen und für junge Männer und später auch
für Frauen attraktiver und moderner zu erscheinen. "Der
Grundgedanke war: Wofür stehen wir eigentlich? Daher haben wir
unserer Vereinsziele neu definiert: Die Pflege der Tradition, der
Solidargedanke und die Pflege des Miteinanders in
gemeinschaftlichen Veranstaltungen". Und alle diese Gedanken kommen
vor allen Dingen bei einem Event zusammen: So wurde auch das
Bürgerschießen ab 2015 abgewandelt, auf den Marktplatz verlegt und
um neue Elemente, wie etwa dem Kinderfest und dem Feierabendbier,
ergänzt. "Wir wollen einfach auch anders wahrgenommen werden und
das nicht nur von einer beschränkten Zielgruppe. Daher wollten wir
den Volksfestcharakter weiter etablieren", so Brandt weiter.
Volksfest für Jung und Alt
So wird es auch beim diesjährigen Bürgerschießen - 23. bis 7.
August - wieder Angebote für Alt und Jung geben - etwa den
Seniorennachmittag, den Gottesdienst auf dem Marktplatz, den
gemeinsamen Zapfenstreich im Fackelschein und das Feierabendbier
für jedermann. "Wir wollen an diesen Tagen die Menschen auf dem
Marktplatz zusammenbringen. So können wir damit auch mit kleinen
Aufwand etwas für die Gemeinschaft tun". Dabei spielen in den
vergangenen Jahren vermehrt auch Partnerschaften, etwa zur
Bundeswehr und der Landeskirche, eine immer größere Rolle. "Das ist
in dieser Form in Bückeburg einzigartig, denn hier gehen gemischte
Teams auf die Reise", erklärt Brandt sichtlich stolz. Foto:nh
Infokasten: Das Bürgerbataillon wurde - voraussichtlich, denn genau
wurde die Gründung damals, jedenfalls nicht das uns bekannt wäre,
notiert - 1609 mit der Verleihung der Stadtrechte an das
beschauliche Bückeburg ins Leben gerufen. Zweck und Notwendigkeit
des Bürgerbataillons lagen seinerzeit in der Verteidigung der Stadt
und Aufgaben in inneren Angelegenheiten. So stellten sich bereits
damals die Mitglieder in den Dienste der Gesellschaft - wie heute
auch, nur in anderer Form. Übrigens - von Satzung wegen ist
tatsächlich sogar jeder männliche Bürger Bückeburgs Mitglied im
Bürgerbataillon, auch wenn natürlich nicht jeder davon aktiv darin
wirkt.
Grafiken:
900 aktive Mitglieder in 19 Rotts → Menschen und Fahnen
40.000 Euro Spenden für soziale Zwecke seit 2010 → Geldschein
400 Menschen kommen durchschnittlich zum Grünkohlessen als
gesellschaftliches Event
Dabei werden durchschnittlich 120 Kilo Grünkohl und 1000 Würste auf
den Tisch gebracht
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Traditionen pflegen und dabei solidarisch sein
50 Jahre Grünkohlessen des Bürgerbataillons / Mehr als nur "Männertrinkverein"
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